99-jährige Zeitzeugin Irmgard Ernst besucht Laboe und spendet
Flucht über die Ostsee. Es war ein Herzenswunsch der 99-jährigen Irmgard Ernst aus der Nähe von Schleswig, noch einmal das Marine-Ehrenmal in Laboe zu besuchen und die Erinnerungen an den 30. Januar 1945 in Gotenhafen aufleben zu lassen. In Begleitung ihrer Kinder war der Raum „Flucht über die Ostsee“ in der Historischen Halle das Ziel der rüstigen und vitalen alten Dame. Hier hatte sie bereits vor Jahrzehnten die Details der Flucht anhand von Modellen besichtigt. Nun ging es aktuell darum, noch einmal über die Geschehnisse in jenen Januar- und Februartagen 1945 zu berichten. Dazu zeichnete ein Mitarbeiter des Besucherteams ein 18-minütiges Gespräch mit Irmgard Ernst auf.
Es war der 30. Januar 1945 und die Pier im Hafen war voller Menschen. Es herrschte ein unübersichtliches Gedränge und am Kai lag noch die WILHELM GUSTLOFF , die bereits völlig überfüllt war. Die Rettung der Familie war ein anderes Schiff, das ebenfalls mit Flüchtenden besetzt wurde. Den Namen des Schiffes erfuhr Irmgard Ernst erst Jahre später von ihrer Cousine, die ebenfalls bei der Flucht dabei war. Es handelte sich um die CORONA. Der Dampfer, der wohl aus Kiel nach Gotenhafen verlegt hatte, nahm die Familie auf, die im Frachtraum untergebracht wurde. Die CORONA legte noch am gleichen Abend ab, Hela wurde umrundet und als Irmgard Ernst am nächsten Morgen die steile Eisentreppe zum Deck heraufkletterte war das Deck voller Menschen, die bereits von der Versenkung der WILHELM GUSTLOFF berichteten. Am Horizont schwammen Wrackteile. Irmgard Ernst berichtet: „durch die U-Boot- oder Fliegergefahr musste der Dampfer ständig die Fahrt unterbrechen. Unzählige Male rasselten die Ankerketten.“
Die Verhältnisse waren menschenunwürdig und die Angst vor einer Versenkung stets präsent. Nach ca. sechs Tagen kam die CORONA in Warnemünde an. Nun ging es wieder zu Fuß Richtung Westen weiter. Schließlich gelangte die Familie nach Schleswig-Holstein. Es wurde niemand vermisst, verletzt und es kam niemand ums Leben, was die alte Dame auch heute noch mit Dankbarkeit erfüllt.
Familie Ernst begab sich zum Ende des Besuches noch in den Kranzschleifenraum des Turmes und besichtigte die antiken Kranzschleifen der GUSTLOFF-Überlebenden und der Ostpreußischen Verbände, die ihrer Rettung über die Ostsee gedachten und dankten. Frau Ernst verließ das MEM mit den Worten: „Ich bin zufrieden!“ und hinterließ der Nachwelt ein Stück lebendige Geschichte. Nach ihrem Besuch spendete die Familie Ernst 150,00 Euro zum Erhalt des Marine-Ehrenmals – eine Gedenkstätte, die für sie von sehr großer Bedeutung ist.